Erfolgsfaktor Prozess-Rollout
Wie Prozesse wirklich gelebt werden: Erfolgsfaktoren für den Prozess-Rollout
Einführung
In vielen Unternehmen werden Prozesse akribisch ausgearbeitet, doch nur wenige werden wirklich effektiv ausgerollt und genutzt. Oft existieren sie nur auf dem Papier, während die Mitarbeiter sie ignorieren oder als unpraktikabel empfinden. Doch woran liegt das? Der Kern des Problems sind grundlegende Fehler bei der Einführung oder Verbesserung von Prozessen.
Bewährte Methoden für erfolgreiche Prozessimplementierungen zeigen, worauf Unternehmen achten sollten, um ihre Prozesse nachhaltig zu etablieren.
1. Alle relevanten Stakeholder einbeziehen
Ein zentraler Fehler besteht darin, dass Prozesse von einer kleinen Gruppe definiert werden, ohne andere Stakeholder einzubeziehen. Klassische Beispiele sind:
- Prozesse, die von der Qualitätsabteilung entwickelt werden, sich jedoch mehr an Standards (wie ASPICE) als an der realen Arbeitsweise im Unternehmen orientieren.
- Prozesse, die von Domänenexperten erstellt werden, die zwar tiefgehendes theoretisches Wissen besitzen, aber wenig Einblick in die praktische Umsetzung haben.
Folge:
Anwender fühlen sich nicht einbezogen und können oder wollen
die Prozesse nicht nutzen. Im schlimmsten Fall ignorieren oder
boykottieren sie sie, weil sie die Arbeitsweise erschweren
anstatt sie zu verbessern.
Lösung:
Prozesse sollten in interdisziplinären Teams definiert werden,
die alle relevanten Stakeholder einbeziehen:
Qualitätsmanagement, IT, Management, Entwickler, Architekten
und Endanwender. Nur so entstehen Prozesse, die sowohl den
Standards als auch der Praxis gerecht werden.
2. Prozesse an den Unternehmenszielen ausrichten
Ein weiterer Fehler ist, dass Prozesse in einzelnen Unternehmensbereichen erstellt werden, ohne die Ziele des Unternehmens zu kennen und sich daran zu orientieren. Das erschwert die Zustimmung und Unterstützung des Managements, da der Mehrwert von Prozessen nicht klar vermittelbar ist.
Folge:
Das Management sieht Prozesse als überflüssige Bürokratie und
unterstützt sie nicht aktiv. Ohne Rückhalt aus der
Führungsebene kann eine Nichteinhaltung von Prozessen nicht
eskaliert oder durchgesetzt werden.
Lösung:
Prozesse müssen so definiert werden, dass ihre Verbindung zu
den Geschäftszielen nachvollziehbar ist. Beispielsweise:
- Bei großen Qualitätsproblemen müssen Prozesse detaillierter sein, um Fehler zu minimieren.
- In schnell wachsenden Unternehmen sollten Prozesse leicht verständlich sein, damit neue Mitarbeitende unabhängig von ihrem Standort und kulturellen Hintergrund sie schnell adaptieren können.
Je klarer diese Verbindung ist, desto einfacher wird es, das Buy-in vom Management zu erhalten – und idealerweise kommen Prozessankündigungen direkt von der Unternehmensführung.
3. Schulungen und Unterstützung sicherstellen
Ein häufig unterschätzter Punkt ist die Schulung der Prozesse und der dazugehörigen Tools.
Folge:
Selbst wenn die Prozesse gut definiert sind, fehlt es den
Anwendern an Wissen, wie sie diese im Arbeitsalltag anwenden
sollen.
Lösung:
- Zeit für Schulungen einplanen, um Prozesse und Prozessmanagement-Werkzeuge zu erklären.
- Hands-on-Trainings durchführen, bei denen Anwender den Prozess aktiv erleben.
- Einen zentralen Ansprechpartner für Fragen und Support bereitstellen.
4. Prozesse aktiv bewerben
Viele Prozessverantwortliche denken, dass es reicht, auf „Veröffentlichen“ zu klicken. Doch das reicht nicht aus!
Folge:
Neue Prozesse gehen unter, weil sie nicht ausreichend
kommuniziert werden. Mitarbeiter sind unsicher, ob sie diese
anwenden sollen oder wissen nicht einmal, dass es sie gibt.
Lösung:
Interne Marketing-Maßnahmen durchführen:
- Ankündigungen durch das Management
- Kleine Erklärvideos oder Trainings, die den Prozess näherbringen
- Hausmessen, Infostände und Newsletter
- Gamification-Elemente wie Quizzes oder Belohnungen für das meiste Feedback
5. Feedback und kontinuierliche Verbesserung fördern
Prozesse sind nie perfekt. Ein großer Fehler ist, dass Anwender kein einfaches Mittel haben, Feedback zu geben.
Folge:
Mitarbeiter fühlen sich nicht involviert, sehen sich als reine
Prozesskonsumenten und haben keinen Anreiz, Verbesserungen
anzuregen.
Lösung:
- Klare, einfache Möglichkeiten schaffen, um Fehler zu melden, Lob auszusprechen oder Verbesserungsvorschläge einzureichen.
- Transparenz: Anwender müssen nachvollziehen können, wie ihr Feedback bearbeitet wird.
- Regelmäßige Updates, die die Verbesserungen sichtbar machen.
6. Prozesse auf Projekte und Programme zuschneiden
Viele Unternehmen nutzen generische 200%-Prozesse, die alle möglichen Anforderungen berücksichtigen. Doch wenn nur dieser komplette Prozess bereitgestellt wird, verlieren sich die Anwender darin.
Folge:
Die Mitarbeiter wissen nicht, welche Prozessbestandteile für
ihr spezifisches Projekt relevant sind, was zur
Vernachlässigung der Prozesse führt.
Lösung:
- Prozesse müssen auf Projekte oder Programme zugeschnitten werden.
- Aus einem Standardprozess werden spezifische Instanzen für einzelne Projekte abgeleitet.
- Beispiel: Ein Softwareprojekt benötigt keine Funktionale Sicherheit. Also sollten die betreffenden Prozesselemente aus dem Prozess entfernt werden, um ihn schlanker und anwendungsfreundlicher zu machen.
Fazit: Prozess-Rollouts erfordern Strategie und Kommunikation
- Prozesse müssen unter Beteiligung aller Stakeholder entwickelt werden.
- Sie müssen mit den Unternehmenszielen verknüpft sein, um das Buy-in vom Management zu erhalten.
- Schulung und Kommunikation sind essenziell für die erfolgreiche Nutzung von Prozessen.
- Interne Marketing-Maßnahmen steigern die Akzeptanz und Anwendung.
- Prozesse sollten auf Programme oder Projekte zugeschnitten werden, um Anwendern die Arbeit zu erleichtern.
Werden diese Prinzipien beachtet, haben Unternehmen eine deutlich höhere Chance, dass ihre Prozesse nicht nur veröffentlicht, sondern auch wirklich gelebt werden.